Empathie bei Autismus

Eine Vielzahl von Studien spricht für Schwierigkeiten der Theory of Mind und der kognitiven Empathie. Das heißt, dass sich Menschen im Autismus-Spektrum im Vergleich zu Personen gleichen Alters oft nicht so gut vorstellen können, was eine andere Person denkt und fühlt. Sie können zudem oftmals Gefühlsausdrücke und sonstige Hinweise auf die Emotionen anderer weniger gut lesen und interpretieren. Dies betrifft vor allem komplexe Emotionsausdrücke wie z.B. Eifersucht, Stolz oder Interesse sowie die Geschwindigkeit der Emotionsdekodierung. Jüngere Kinder oder autistische Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung haben auch oftmals Schwierigkeiten beim Erkennen basaler Gefühle wie Freude, Traurigkeit, Überraschung, Ärger, Angst oder Ekel.

 

Autistischen Menschen kann es zudem schwerfallen, die eigenen Emotionen zu erkennen und zu differenzieren sowie sie angemessen zu regulieren. Dies bringt unter Umständen mit sich, dass das empathische Mitempfinden mit anderen sowie auch generell emotionsauslösende Ereignisse und Situationen als stressauslösend und unangenehm erlebt werden. Verschiedene Studien und Selbstberichte von Menschen im Autismus-Spektrum sprechen dafür, dass sie sogar stärker mit anderen mitempfinden.

 

Das eingeschränkte Verständnis im Sinne der kognitiven Empathie sowie die Probleme der Emotionsregulation können jedoch zu als unangenehm erlebten Gefühlszuständen führen („personal distress“), welche als von außen als unempathisch gewertete soziale Reaktionen nach sich ziehen können (z.B. Abwenden etc.).  Ausbleibende oder unerwarteten Reaktionen auf die Gefühle anderer Menschen können sich im täglichen Miteinander negativ auf die soziale Integration des Betroffenen auswirken.

 

Umgekehrt ist es wichtig hervorzuheben, dass auch die Empathie von nicht-autistischen Personen für die Sichtweise autistischer Menschen eingeschränkt ist. Erste Studien zeigen zudem, dass die Schwierigkeiten in der kognitiven Empathie und der sozialen Interaktion bei zwei autistischen Interaktionspartnern nicht mehr bestehen. Das Phänomen des gegenseitigen Unverständnisses zwischen autistischen und nicht-autistischen Personen wird auch als „double empathy problem“ bezeichnet (siehe z.B. Milton, 2012).

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